Der Kia EV6 ist das meistverkaufte Elektroauto der koreanischen Marke. Doch der 4,70 Meter lange Mittelklasse-Crossover stand beim Absatz immer im Schatten des Hyundai Ioniq 5, von Rivalen wie Tesla Model Y, Skoda Enyaq oder VW ID.4 ganz zu schweigen. Nun bekommt das Auto ein Facelift und technische Verbesserungen. Wir haben die Version mit 84-kWh-Akku und 168-kW-Heckantrieb getestet.
Dass der Kia EV6 wie das Schwestermodell Hyundai Ioniq 5 auf der Plattform E-GMP basiert und 800-Volt-Technik hat, dürfte bekannt sein. Antriebe und Akkus sind identisch. Die gefahrene Version ist die mittlere, die zudem die größte Reichweite bietet. Zur Orientierung die wichtigsten Daten:
Schnelle Daten | Kia EV6 84 kWh, 168 kW |
Antrieb | 1 Permanentmagnet-Synchronmotor hinten |
Systemleistung / Drehmoment | 168 kW /350 Nm |
0-100 km/h / Höchstgeschwindigkeit | 7,7 Sekunden / 185 km/h |
WLTP-Verbrauch | 15,9-16,9 kWh/100 km |
Batterie | 84 kWh brutto, ca. 80 kWh netto (NMC811-Chemie) |
WLTP-Reichweite | 560-582 km |
DC-Ladetempo / DC-Ladedauer | ca. 3,1 kWh/min / 18 Minuten (10-80%) |
Reichweite nachladen | 21,7-22,6 km/min (zwischen 10 und 80% SOC) |
Länge / Höhe | 4,70 m / 1,55 m |
Basispreis | 49.990 Euro |
Exterieur/Platzangebot|Cockpit und Bedienung|Antrieb und Akku|Preise udn Rivalen|Fazit
Exterieur und Platzangebot in Kofferraum und Fond
Wie der beim gleichen Event getestete Kia EV3 ist auch der EV6 ein Auto, mit dem man zeigt, dass man ein modernes Elektroauto fährt. Die neueStarmap-Lichtsignatur (das sind die krakeligen Lichtlinien vorne) lässt den Wagen nochmal deutlich futuristischer wirken.
Kia EV6 (2021)
Kia EV6 (2025)
Die relativ geringe Höhe von 1,55 Meter rechtfertigt die Einstufung als Crossover; ein Ioniq 5 ist rund fünf Zentimeter höher. Wer glaubt, dass der EV6 deswegen um Welten sparsamer ist, täuscht sich: Hyundai gibt für die entsprechende Motorisierung 16,0-17,2 kWh/100 km an, Kia 15,9-16,9 kWh. Der Einfluss der Radgröße ist bedeutender, denn die 15,9 kWh gelten für die 19-Zoll-Serienräder, die 16,9 kWh für die 20-Zöller, wie sie an meinem Testwagen montiert waren. Die Radgröße macht also eine Kilowattstunde aus, oder wenn Ihnen die Reichweite mehr sagt: Die großen Felgen kosten 22 km.
Kia EV6 (2021) mit dem Piano-Bar-Bremslicht
Kia EV6 (2025) mit Starmap-Rücklicht
Das Heck sieht ähnlich aus wie bisher, doch fallen die pfeilartigen Spitzen an den Rücklichtern auf. Anders als es das obige Bild nahelegt, gibt es die vielen roten Strichlein noch immer. Sie erscheinen beim Betätigen der Bremse und sind im Jargon der Kia-Fans als Piano Bar bekannt. Darunter gibt es nach wie vor dreidimensionale, silbrige Elemente ohne erkennbare Funktion.
Unter der Fronthaube des EV6 gibt es einen Frunk, der deutlich größer ausfällt als beim EV3; hier passt mehr hinein als nur das Ladekabel. Da beim Allradler in den Vorderwagen noch eine Elektromaschine samt Inverter passen muss, ist der Frunk dort kleiner, fasst dann nur noch 20 statt 52 Liter. Hinten bietet der EV6 490 bis 1.290 Liter Stauraum, was im Vergleich zur Konkurrenz eher wenig ist:
Länge | Breite | Höhe | Kofferraum hinten | |
Kia EV6 | 4,70 m | 1,89 m | 1,55 m | 490-1.290 Liter |
Hyundai Ioniq 5 | 4,66 m | 1,89 m | 1,61 m | 520-1.580 Liter |
Skoda Enyaq | 4,65 m | 1,87 m | 1,62 m | 585-1.710 Liter |
Tesla Model Y | 4,75 m | 1,92 m | 1,62 m | 854-2.158 Liter |
Der Kofferraum ist zudem nicht sehr hoch, weil die Karosserie hinten schräg abfällt. Zudem lassen sich die Rücksitze nur im Verhältnis 60:40 umklappen. Um lange Gegenstände einzuladen, gibt es zudem nur eine kleine Durchladevorrichtung, die für Alpinski mit Bindung wohl zu schmal ist, zumindest für zwei Paar.
Bild von: Foto: InsideEVs
Was nach dem tags zuvor gefahrenen EV3 schnell auffällt ist, wie viel Platz der EV6 im Innenraum bietet. Sitzt man im Fond, hat man das Gefühl, ewig weit entfernt zu sein von den Insassen vorne. Entsprechend riesig ist die Beinfreiheit: Eine Spanne reicht nicht aus, um den Abstand zwischen meinen Knien und dem Vordersitz zu messen. Nicht ganz so üppig ist die Kopffreiheit, aber auch die reicht für mich als 1,76 m große Testperson aus:
Schick finde ich, dass die Türgriffe des Kia EV6 erst beim Entriegeln ausfahren. Das geschieht wie beim EV3 entweder konventionell per Funkfernbedienung, per Fingertipp auf den Türgriff mit dem Schlüssel in der Tasche oder nun auch per App, also per Digital Key. Schön fände ich, wenn das auch mit der Smartwatch möglich wäre wie beim Mini Aceman; da bin ich mir aber nicht sicher.
Cockpit und Bedienung
So prima das schlüssellose Entriegeln ist: Im Fahrzeug sitzend, muss man überflüssigerweise noch einen Startknopf drücken. Optional gibt es für die Topausstattung auch eine Fingerabdruck-Erkennung in der Mittelkonsole. Wer den Schlüssel vergessen hat, kann das Auto also per App öffnen und sich die Fahrberechtigung per Fingerabdrucksensor holen.
Die Spiegel werden dankenswerterweise per Knöpfchen eingestellt und nicht per Touchscreen.Die Fahrmodi P, N, R und D werden nach wie vor per Drehrad in der Mittelkonsole aktiviert. Dort gibt es nun keinen schwarzglänzenden Pianolack mehr, sondern mattschwarze Oberflächen, was Fingerabdrücke vermeidet. Generell gibt es im Kia EV6 für viele wichtige Funktionen physische Bedienelemente oder zumindest Touchflächen, wie zum Beispiel an dem praktischen kleinen Extra-Display für die Klimaeinstellungen.
Das Cockpit: Die Fahrmodi (Sport, Eco etc.) werden mit einem Knopf links am Lenkrad gewechselt
Als Fahrer schaut man auf zwei 12,3-Zoll-Displays im Querformat direkt nebeneinander. Am Instrumentendisplay erscheinen beim Setzen des Blinkers Kamerabilder vom Toten Winkel als runde Inserts. Das ist allerdings eher beim Abbiegen in der Stadt nützlich, beim Spurwechsel auf der Autobahn gucke ich zumindest nicht nach unten aufs Display. Außerdem ist diese "BVM"-Funktion optional. Das gleiche gilt für das Head-up-Display.
Das Lenkrad besitzt nun kapazitive Technik, das heißt, man muss nicht mehr daran rütteln, um dem Auto mitzuteilen, dass man noch Herr seiner Sinne ist. Allerdings sind die Assistenzsysteme noch nicht auf dem Niveau von VW, Audi und BMW. Abstandstempomat und Spurhalteassistent funktionieren zwar gut, aber die automatische Übernahme des Tempolimits scheint nur auf der Autobahn zu klappen; dann tritt der Autobahnassistent HDA in Aktion und übernimmt das.
Die Lade-Routenplanung für längere Strecken ist ebenfalls noch nicht auf dem Niveau, das man in der Mittelklasse erwarten darf. Wie der EV3 kann auch der EV6 nur maximal vier Ladestationen einplanen. Das reicht natürlich locker für mehr als 1.000 km und damit auch für lange Fahrtage, aber bei anderen Marken ist man da nicht beschränkt. Außerdem dauert die Routenplanung ziemlich lang.
Ziemlich nervig ist die Ambientebeschallung oder wie man das nennt: Nach jedem Systemstart ertönte wieder ein Gesäusle mit Vogelgezwitscher. Auch das Gepiepse des (vorgeschriebenen) Tempowarners ist ziemlich penetrant. Beides kann man natürlich abstellen.
Schön ist jedoch, dass es Wippen am Lenkrad zum Einstellen der Rekuperationsstärke gibt, was viel weniger ablenkt als wenn man die Touchscreen-Menüs durchwühlen muss. Die Modi sind die gleichen wie beim EV3; mit gleich sieben verschiedenen Einstellungen (L0, L1, L2, L3, Auto, Max und i-Pedal) hat es Kia etwas übertrieben, finde ich. Zumal auch bei maximaler Schubrekuperation die Bremswirkung noch stärker sein könnte. Das aber hängt an der Motorisierung, denn natürlich kann der Allradler mit seinen zwei Elektromaschinen und insgesamt 239 kW stärker rekuperieren.
Bildergalerie: Kia EV6 (2025) im Test
Antrieb, Akku und Aufladen
Womit wir bei den Antrieben wären. Sie sind leistungsmäßig unverändert: Es gibt Hecktriebler mit 125 und 168 kW sowie den Allradler mit 239 kW. Der GT mit seinen 430 kW bekommt das Facelift und die technische Aufwertung erst nächstes Jahr; dabei sollen auch etliche Elemente aus dem phänomenalen Hyundai Ioniq 5 N übernommen werden – damit dürfte der Fahrspaß noch deutlich steigen.
Die 168 kW unseres Testwagens reichten mir auf den befahrenen Straßen locker aus. Auf kurvigen Landstraßen wirkte der Wagen recht flott, subjektiv machte er sogar mehr Spaß als etwa der ID.7 mit 210-kW-Antrieb.
Was den Akku angeht gibt es eine verbesserte Chemie. Wie uns Kia-Produktplaner David Labrosse sagte, werden die gleichen Module eingesetzt wie bisher. Bei der großen Batterie sind es 32, und jedes enthält 12 Pouch-Zellen von LG. Dass die Speicherkapazität von 77 auf 84 kWh stieg, liegt an der Chemie. Die Kathode bestehtlaut Labrosse nach wie vor aus NCM811-Zeug, aber vielleicht wurden die Anode, der Elektrolyt oder die Additive verändert.
Trotz der größeren Speicherkapazität blieb die Ladedauer mit 18 Minuten (10-80%) die gleiche. Möglich wird das durch eine höhere Maximal-Ladeleistung (258 statt 239 kW) und eine verbesserte Ladekurve. Das scheint auch das Verdienst des optimierten Thermomanagements zu sein, denn nur wenn der Akku gut gekühlt wird, sind solche Ladeleistungen möglich. Nach der von Kia gezeigten Grafik hat sich die Ladekurve am Anfang, in der Mitte und am Ende verbessert:
Die neue Ladekurve (weiß) im Vergleich zur alten (bläulich)
Da ich mit dem EV6 deutlich mehr Zeit hatte als mit dem EV3, konnte ich zusammen mit dem Kollegen Robin einen kleinen Verbrauchstest und einen Ladeversuch machen. Der Verbrauchstest bestand hauptsächlich in dem Versuch, das Auto in der zur Verfügung stehenden Zeit möglichst leer zu fahren, damit der Ladeversuch Sinn ergab. Wir fuhren deshalb einige Umwege auf der Autobahn bei gleichbleibendem Tempo. Danach zeigte der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 23,9 kWh/100 km bei konstant 120 km/h – naturgemäß etwas mehr als der Normwert für konstant 100 km/h von 21,8 kWh, aber durchaus im Rahmen.
Den Akku des EV6 kann man nicht nur automatisch durch Eingabe der Ladestation aufs Schnellladen vorbereiten, sondern auch manuell. Doch das Vortemperieren der Batterie war nach der ganzen Autobahnfahrerei und zudem batteriefreundlichen Außentemperaturen von 23 Grad unnötig, was uns der entsprechende Screen auch meldete.
Bei der Ionity-Säule angekommen, lag der Ladestand allerdings noch bei 38 Prozent. Würden wir damit noch die maximale Ladeleistung abkriegen? Die Ladeleistung stieg anfangs etwas zögerlich, hatte aber nach einer Minute bei 40% SoC 173 kW erreicht, maximal wurden 174 kW geschafft. Der Ladepeak von 258 kW wurde also verfehlt, unser Anfangs-Ladestand war noch zu hoch. Bis 70 Prozent fiel die Ladeleistung nur wenig ab, und bei 80 Prozent SoC wurden immerhin noch 104 kW erreicht. Diese Ergebnisse stimmen etwa mit der Ladekurve von Kia überein.
SoC | 40% | 60% | 69% | 75% | 78% | 80% | 85% |
Ladeleistung | 173 kW | 174 kW | 161 kW | 141 kW | 118 kW | 104 kW | 65 kW |
Preise und Konkurrenz
Der getestete Kia EV6 mit 168 kW und maximal 582 km Reichweite kostet "nackt" rund 50.000 Euro.Konzernintern tritt er gegen den technisch eng verwandten Hyundai Ioniq 5 an. Dieser ist mit 51.650 Euro etwas teurer.
Zu den Rivalen gehört außerdem das Pärchen VW ID.4 Pro und Skoda Enyaq 85, die ebenfalls rund 580 km mit einer Ladung schaffen. Mit 210 kW sind sie aber stärker motorisiert. Die Ladegeschwindigkeit ist hier wegen des 400-Volt-Systems natürlich schlechter: Im Bereich zwischen 10 und 80 Prozent SoC werden bei VW und Skoda 1,9 Kilowattstunden pro Minute geladen, bei Kia und Hyundai sind es 3,1 kWh/min.
Auch beim Reichweite-Nachladen haben die koreanischen Marken mit rund 22 km/min die Nase vorn gegenüber den Konkurrenten, die bei 13 bis 14 km/min liegen (im Bereich zwischen 10 und 80%, auf Basis des Normverbrauchs) .Die Preise des ID.4 Pro sind aber deutlich niedriger, dank Hersteller-Rabatt gibt es ihn schon ab rund 45.000 Euro.
Ein weiterer Rivale ist das Tesla Model Y Long Range RWDmit überlegenen 255 kW und bis zu 600 km Reichweite für rund 49.000 Euro; zur Ladegeschwindigkeit gibt es hier allerdings keine offiziellen Daten. Wer China-Marken nicht scheut, kann sich auch den Xpeng G6 Long Range mit 800-Volt-System für 47.600 Euro ansehen, der uns im Test gut gefallen hat.
Weitere Rivalen:
Xpeng G6 im Test: Viel Licht und wenig Schatten
Elektro-SUVs 2024: Übersicht über alle Modelle auf dem Markt
Fazit
Der Kia EV6 ist nach wie vor eine gute Wahl für die Langstrecke, wo schnelles Laden und eine zeitgemäße Reichweite gefragt sind. In Sachen Bedienung gibt es wenig zu meckern, die Beinfreiheit im Fond ist überragend. Auch das Fahrwerk gab keinen Anlass zu Beschwerden, und mit dem Vortrieb kommt man locker aus. Allenfalls bei den Assistenzsystemen gibt es noch Verbesserungsbedarf. Wer viel fährt, würde sich wohl über eine automatische Übernahme des Tempolimits auf allen Straßen freuen. Auch könnte die Laderoutenplanung schneller sein.
Beim Laden selbst können nur 800-Volt-Autos mit dem EV6 mithalten, und die sind im Preisbereich um die 50.000 Euro rar. Wer selten lange Strecken fährt, ist wohl mit dem VW ID.7 Pro besser bedient, den es schon für 5.000 Euro weniger gibt und der mehr Power bietet. Oder mit dem Tesla Model Y LR RWD, das zwar kaum billiger ist, aber ebenfalls mit besseren Fahrleistungen und zudem mehr Kofferraum aufwartet.